“Das Lied der Eibe” ist eines ganz sicher nicht: ein gewöhnliches Runenbuch. Der extrovertierte Künstler Duke Meyer war schon immer jemand der mit seiner direkten Schreibe durchaus provoziert, aber dies auch nur die konservativen Gemüter, denn seine intelligenten Texte regen zum Nachdenken an und auch wenn es viele nicht gerne hören: er trifft den Nagel mehr als oft auf den Kopf mit seinen Beobachtungen.
Ein Runenbuch von jemandem der die Runen liebt und erforscht, das war mir eine Freude, weckte sogar grosse VORfreude und ich wurde nicht enttäuscht von seinem Werk, ertappte mich sogar beim lesen oft dabei zustimmend zu nicken und lächeln und meine eigenen Erfahrungen still mit den Seinen abzugleichen. Und die sind in vielerlei Beziehung ähnlich. Aber eben nicht in allen, was jedoch völlig okay ist, denn das Schöne an den Runen ist ja der individuelle Zugang und das persönliche Kennenlernen.
Das es kein gewöhnliches Runenbuch ist habe ich ja eingangs erwähnt, aber das es viel mehr als ein Buch zu den Runen ist, das muss unbedingt als grosse Stärke herausgestellt werden. Denn Duke Meyer nutzt die Beschreibung und Beschäftigung mit den wunderbaren Zauberzeichen gleich dazu viele gesellschaftliche Themen zu behandeln.
Wortgewandt und mit der ihm eigenen “Blumigkeit” schafft er es, das man sich nicht nur mit den Runen, sondern auch mit dem Leben an sich auseinandersetzen muss und darf. Seine Wortspiele sind so wunderbar frisch und poetisch. Die Gedankengänge philosophisch und dabei ebenso erfrischend bodenständig und unverblümt direkt. Also “blumig” ohne “Blumen”, das muss ihm erst einmal einer nachmachen.
Ich mag es sehr, dass er seine Gedanken zu den Runen, Göttern und Welten so hervorragend einfach niederschreibt und sich nicht gross darum zu kümmern scheint, wie das bei den Leserinnen und Lesern wohl ankommen könnte. Nun, ein bisschen doch (wie er selber zugibt) aber eben nur ein bisschen. Und das sicher ganz unauffällig.
Die Beschreibungen der Runen bzw. seine Erfahrungen mit ihnen sind eine unglaubliche Bereicherung zum drögen Themenbrei der zwischen 08/15 Literatur und Eso-Verwässerung hin- und her pendelt (auf deutsch gibt es derzeit sowieso kaum mehr gescheite Bücher da alle langsam vom Markt schwinden).
Das er der rechten Szene und ihrem Runenblabla so richtig mit Wissen und Fakten eine Abfuhr erteilt und das Thema auch im “Lied der Eibe” nicht scheut, machte ihn früher schon zu einem meiner Lieblings-Schreiberlinge (“Als die Sau noch Göttin war” ist ein zeitloser Klassiker für mich). Und das bringt er auch hier gut über die Bühne.
Die Beschreibung der drei Aettiere und der einzelnen Symbole gelingt ihm hervorragend, aber eben bei einigen sehr unkonventionell und nicht überall teile ich die Sichtweise(n), aber eben: das ist okay und jeder einzelne Text stellte dennoch auch für mich eine Bereicherung dar und brachte mich zum nachdenken und nachfühlen.
Seine Kapitel zum Thema “Magie” und die Anleitungen zum ziehen und werfen treffen ebenso völlig meinen Geschmack (vermutlich weil sie so nah an meiner eigenen Philosophie/Praxis liegen) und obwohl ich mich dem Deuten verkehrter Runen bislang immer verwehrte und im “Lied der Eibe” sogar Deutungen je nach Winkel in dem die Runen fallen angesprochen werden, so habe ich ernsthaft darüber nachgedacht, nach Lesen des Buches, es vielleicht doch auch einmal mit einzubeziehen in die eigene Praxis. Das hat bisher kein einziger Autor bei mir geschafft *grins*.
Ich werde “Das Lied der Eibe” mit Sicherheit von ganzem Herzen im Laden und darüber hinaus empfehlen, sowohl Anfängern als auch Fortgeschrittenen. Ersten jedoch weiterhin auch ein “traditionelles” Runenbuch ans Herz legen (von denen es auf deutsch eben leider kaum mehr gute gibt).
Hier zum Beispiel: “Die Blätter von Yggdrassil” (Freya Aswyn), “Helrunar” (Jan Fries) oder das “Handbuch der Runen Magie (von Edred Thorsson). Das, aus meiner Sicht beste “traditionellere” Werk ist sowieso nur auf englisch erhältlich (“Taking Up The Runes” von Diana L. Paxson).
Zusammengefasst: ich liebe den Mix aus Philosophie, Provokation, Poesie, (es gibt immer wieder Gedichte und Auszüge aus Texten des Autoren/Künstlers), persönlicher Erfahrung, Gesellschaftskritik, Offenheit (auch persönlicher) und Fachwissen das Duke Meyer hier präsentiert. Somit hat sich das Buch per sofort zu einem meiner absoluten Lieblingsbücher zur Runenthematik gemausert.
Es kam übrigens schon lange nicht mehr vor das ich ein “Sachbuch” aus meinem eigenen Praxisumfeld so rasch und fast in einem Zug gelesen habe. Ich könnte noch so viel dazu schreiben, aber lest es doch am besten selbst!
Es ist einfach so erfrischend anders. Es braucht mehr solcher Bücher und Autoren. Vor allem in Zeiten in denen alles wieder konservativer zu werden scheint und das selbstständige Denken sowie Selbstverantwortung oft nicht mehr als Wert gehandelt werden (obwohl sie angeblich doch im Trend sind)…
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