Selbstbewusst? Arrogant? – oder irgendwas in der Art ;)

Vor einiger Zeit hatte ich eine Unterhaltung mit einer Freundin. Ihr Problem: einige ihrer Mitarbeiter denken sie sei extrem tough und manchmal sogar ein wenig arrogant (weil sie so gut sei). Nun ist es ja nicht so, das man unbedingt etwas auf die Meinung der Anderen geben sollte. Schliesslich ist das heutzutage sowieso so eine Sache mit diesem Thema. Aber ein bisschen wurmt es sie dennoch, denn eigentlich ist sie einfach ein zurückhaltender Mensch, der sogar etwas zur Schüchternheit neigt.

Und da sind wir bei einem Thema das ich gut nachvollziehen kann. Denn auch ich hatte schon mit diesem „Ruf“ zu tun. Die Frage ist nun: warum?

ichdochnicht

Ich habe mich im Leben nie als arrogant eingeschätzt, aber ich war früher enorm schüchtern. Das stand gelegentlich im krassen Kontrast mit den Beschäftigungen die ich hatte und dem Auftreten in der Öffentlichkeit. Und wenn mich jemand direkt ansprach, oder versuchte mit mir ins Gespräch zu kommen, dann neigte ich dazu recht kurz angebunden zu sein. Weil ich einfach nicht wusste was ich sagen sollte, oder mir die Worte fehlten.

Das ich dabei oft rot wurde, sahen die Menschen wohl nicht immer. Und meine Unsicherheit war wunderbar maskiert. Manchmal versuchte ich auch im Auftreten dann besonders selbstbewusst zu wirken. Das man das als Arroganz oder Überheblichkeit einordnete wurde mir erst spät bewusst. Nämlich dann, als ich oft Jahre später Menschen wieder traf und wir plauderten und ihnen dann gelegentlich rausrutschte: „Du bist ja gar nicht so eingebildet wie ich damals dachte“…

Uff….

Heute kann ich nur darüber schmunzeln und mich selber an der Nase nehmen. Denn ich kann nicht ausschliessen das auch ich schon öfters, aufgrund der eigenen Unsicherheit, andere Menschen als arrogant einordnete, die entweder sehr Selbstbewusst oder eben selbst etwas schüchtern waren.

So ist das nämlich mit der Empathie: wenn der Mensch mit dem Du zu tun hast Eigenschaften/Emotionen ausstrahlt, mit denen Du selbst beschäftigt bist, dann kann es schon mal passieren das man heftig zu projizieren beginnt, weil man die eigenen Gefühle nicht mit jenen des Gegenübers in Verbindung bringt und Muster die Kontrolle übernehmen.

Ich lernte in meiner Ausbildung ganz gut damit umzugehen, aber gelegentlich passiert es mir auch heute noch und ich muss mich bewusst an der Nase packen und mir sagen: „Moment, vielleicht ist dieser Mensch einfach nur unsicher“ anstatt gerade die Schublade aufzumachen um ihn darin zu versorgen.

Umgekehrt ist mir aber oft bewusst das mir, falls Situationen auftreten in denen ich mit Unsicherheit reagiere, mein Verhalten dann ebenso falsch eingeordnet werden könnte. Denn ich habe dann meist zwei Optionen mit denen ich reagiere: entweder beginne ich besonders selbstbewusst aufzutreten, oder ich werde ruhig und schusselig. Das hängt dann immer von der Situation ab.

Früher ging das so weit, das ich nicht einmal merkte, wenn jemand mit mir flirtete, weil ich das einfach ausklammerte aus meinem Wahrnehmungsbereich (vor allem wenn die Person mir gefiel). Und wenn ich es dann realisierte (oder jemand aus meinem Freundeskreis mich drauf aufmerksam machte) verstand ich die Signale nachträglich und griff mir an den Kopf.

So ist das nämlich mit der Wahrnehmung. Diese ist sehr von unserem Innenleben geformt und dort regieren eben nicht selten die Emotionen und versperren einem die Sicht auf die Realität (sieht man heutzutage in der Gesellschaft und bei emotionalisierenden Themen übrigens auch sehr gut).

Was es bei mir mit der Zeit besser machte (obwohl auch hier noch einiges Potential nach oben herrscht) ist das wachsende Selbstbewusstsein und die Erkenntnis, das man sich selber akzeptieren und annehmen sollte wie man ist. Selbstliebe als Schlüssel. Selbstbewusstsein als erdender Anker. Aber Vorsicht: denn sich selber akzeptieren und annehmen heisst nicht, das man nicht weiter an sich arbeiten muss ;)…

Tja, ich werde immer noch manchmal zum Schussel oder trete in Fettnäpfchen, weil Verlegenheit oder die hohe Emotionalität kurz das Zepter in die Hand nehmen. Ist wohl eine Sache die auch viele andere Menschen kennen die mit ADS oder ADHS unterwegs sind.

Aber ich habe gelernt mich so zu akzeptieren und wenn mal wieder ein Malheur passiert, dann kann ich auch „Sorry“ sagen. Oder über mich lachen (sofern meine Schusseligkeit keinen Schaden anrichtete).

Ich habe aber auch gelernt, mein Licht nicht mehr unter den Scheffel zu stellen, nur weil andere Menschen dann das Gefühl haben das man eingebildet sei, wenn man zu sich und seinen Fähigkeiten steht. Mein Wissen und meine Erfahrung habe ich mir erarbeitet (und arbeite weiter daran). Und darauf darf Mensch stolz sein.

Und so darf auch meine eingangs erwähnte Freundin, die im sozialen Bereich arbeitet, stolz darauf sein das sie gute Arbeit leistet, von den Patienten geliebt wird und ein gutes Wissen, vor allem aber eine gute Praxis erarbeitet hat. Das andere sie deshalb als arrogant einstufen nur weil sie es selbst nicht so im Griff haben, sollte ihr am verlängerten Rücken vorbei gehen.

Aber das ist manchmal, auch wenn man schon enorm viel über die menschliche Psyche und das Projektionsverhalten weiss (ist auch gerade wieder „Schattenarbeit“ Zeit) eine Herausforderung. Denn wer ist schon gerne in einer Schublade, in die man eigentlich nicht gehört?

Ich mag in keine Schublade für mich. Ich mag einen grossen, seeeehr grossen Einbauschrank mit vielen vielen Fächern. Und der ganze Schrank bin dann ich und jedes Fach, jede Schublade da drin ist ein Teil davon. Und von denen gibt es Viele. Einige Geheimfächer finde ich sicher auch noch  und wer weiss, vermutlich führt der Schrank sogar nach Narnia 😀

Anmerkung: natürlich ist das ein Thema mit viel mehr Facetten. Aber die geben für sich auch wieder Blog-Stoff ;. Und sicher kann auch ich mal der Eitelkeit auf den Leim gehen, aber da habe ich gute Freunde die mir dann liebevoll in den Hintern treten. Und solche wünsche ich uns allen :-* 

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