„Mein“ Wicca – eine aktuelle Momentaufnahme

Bild 083Wenn ich ein wenig Revue passieren lasse, wie sich „meine“ Art Wicca zu verstehen und zu leben im Lauf der Jahre geändert hat, dann erkenne ich sehr wohl die dynamische Natur und das enorme Potential das diese Spiritualität durchdringt. Das stete Lernen, ein kritisches beobachten und erforschen der Wurzeln aber auch und vor allem das praktische Erfahren des Göttlichen, von Göttin und Gott in ihrer Vielheit prägen diese Naturreligion für mich persönlich.

Wer sich tatsächlich mit Wicca auseinandersetzt und einen realistischen Blick nicht scheut, der erkennt rasch das viele der Mythen die sich aufgrund fantasievoller und sicherlich manchmal bewusster Irreführung verbreitet haben (z.B. Wicca als „die“ Ur-Religion der grossen Göttin, als Ur-heidnische Spiritualität die bis in die Steinzeit zurückreicht, etc…) im Rahmen einer fundierten Realitätskenntnis- und Forschung nicht haltbar sind und waren.

Das wiederum bedeutet aber in keinster Weise, das Wicca deshalb abzuwerten wäre, im Gegenteil, hat sich im Laufe der Zeit neben dem klischeebehafteten Weiterführen gewisser Bereiche (gegen das übrigens nichts einzuwenden wäre, wenn man zu den tatsächlichen Anfängen stehen würde) ein starker Zweig gebildet, der sehr wohl unter Einbezug der tatsächlichen Wicca-Wurzeln kraftvoll ausschlägt und dessen Blätter und Blüten gerade aus diesem Grund bunt und voller Liebe austreiben.

Modernes Wicca hat ein enormes Potential denn als eine „Spiritualität der Balance“ zwischen männlich und weiblich – im Innen wie im Aussen – und einem Einbezug der Natur, der kosmischen (göttlichen) wie der „weltlichen“, scheut es weder den Fortschritt, die Technologie sowie Erkenntnisse im Bereich der Wissenschaft und Psychologie. Es schlägt quasi eine Brücke zwischen Naturverbundenheit und zeitgeistigem Leben und schreibt dabei der Macht menschlicher Fantasie aber auch dem Einbezug der Anderswelt(en) eine wichtige Funktion zu. Der Anspruch auf den Titel „Zaunreiter“ ist somit durchaus gerechtfertigt.

Wicca heute hat es einfach nicht (mehr) notwendig sich eine Geschichte zurechtzubasteln, die weit über die letzten Jahrhunderte hinausreicht, nur um dadurch einen Existenzanspruch und eine Seriösität zu vermitteln die gerade durch diese Bestrebungen – weil leicht wiederlegbar – unterminiert werden. Für Wicca liegt gerade in der Ehrlichkeit mit sich selbst der Schlüssel zu einer ernstzunehmenden und durch und durch kraftvollen Religion in den Armen von Göttin und Gott, dem kosmischen Schoss. Einer dynamischen und mystischen Religion auf die unsere Ahnen stolz sein könnten.

Die „Church of Universal Eclectic Wicca“ – die übrigens eine ernstgenommene und durchaus starke Tradition ist, definiert den Rahmen Wiccas mit folgenden 5 Grundsätzen:

1) The Wiccan Rede (Die Wiccan Rede „Tu was Du willst aber schade niemandem“)

2) The Law of Return (Das Gesetz der Rückkehr bzw. „Ursache und Wirkung“)

3) The Ethic of Self-Responsibility (Die Ethik der Selbstverantwortung)

4) The Ethic of Constant Improvement (Die Ethik der steten Weiterentwicklung)

5) The Ethic of Attunement (Die Ethik des – täglichen bewussten – Einklanges/Einstimmens mit dem Göttlichen) Anm: dazu gehören u.a. Ritual, Meditation, Gebet, Trancearbeit,….

Hinter diesen einfachen Sätzen verbirgt sich eine komplexe und ineinandergreifende Philosophie deren tiefen Sinn man sich erarbeitet. Als ich erst kürzlich über diese Tradition stolperte und mich mit Literatur zum Thema eindeckte, stellte ich freudig fest das ich persönlich „mein Wicca“ schon länger ähnlich verstehe, lebe und auch lehre (siehe Link ganz unten).

Meine persönliche Erfahrung und meine tiefen und manchmal kaum rational erklärbaren Erlebnisse die ich während meines Lebens erfuhr und die in der Initiation in Engelberg (durch die Götter) und dann jener im Coven (durch die Community) gipfelten, finden durch das Einbinden eben jener Grundsätze gar noch eine Vertiefung.

Obwohl ich – meine engen Freunde wissen das – gerade in den letzten Monaten immer öfter damit haderte mich „Wicca“ zu nennen, da ich mich mit vielen Stereotypen und auch den dogmatischeren Vertretern dieser Religion nicht mehr identifizieren konnte und wollte, habe ich gerade durch das Kennenlernen vieler Mitstreiter im Geiste wieder vollumfänglich „zurückgefunden“. Begonnen hat dies schon vor längerer Zeit durch das Lesen der Schriften Esra Free’s (Wicca 404) und eine Integration der Feri-Philosophien in meine Arbeit.

Es ist schön zu wissen das man mit seinen Gedanken und Erlebnissen nicht alleine ist und andere Wanderer dieses Weges ähnliche Erkenntnisse sammeln auf ihrem individuellen Wicca-Pfad. Und das diese harmonische Verbindung aus versuchter Rekonstruktion, Anreicherung durch Mythos und Geschichte, hermetisch orientierter Magie, archaisch schamanischer Einflüsse aber auch erlebter moderner Spiritualität vor Göttin und Gott durchaus eine enorme Kraft entwickelt. In Liebe, Ehrlichkeit und Respekt vor dem was war, was ist und was sein wird.

Ich werde von nun an sicher mehr Gedanken zu diesem Thema hier präsentieren und damit einen umfassenderen Einblick ermöglichen. Es freut mich persönlich, dass mein Erleben auch über mehrere Zeiten in Wicca aufgehen und sich weiterentwickeln kann. Für jene die englisch können empfehlen sich die Bücher von Esra Free und Kaatryn MacMorgan-Douglas. Einen humorvoll-realisitischen Ein- und Überblick bietet übrigens das Buch „Bonewits’s Essential Guide to Witchcraft and Wicca“.

Ich hatte Gedankengänge die in eine ähnliche Richtung gingen übrigens bereits ziemlich genau vor einem Jahr „zu Papier“ gebracht ;). Wen’s interessiert oder zur Erinnerung Siehe hier

5 Kommentare

  1. Es ist schön solche Gedanken zu lesen.
    Hadern ist wichtig, an Unsicherheiten Wachsen wir!
    Wahre Suchende lassen sich nicht durch Modetrends beeinflussen.

    Ich gehöre nicht zur Wicca Tradition, doch durch solch mutigen Äusserungen zoll ich dir meinen Respekt.

    Wer auf der Oberfläche sucht wird auch nur Oberflächliches Finden, wer jedoch in die Tiefe geht, findet Tief-gehendes und Ehrlichkeit sich selbst gegenüber.

    Gruss

    Schatzmeister

  2. Eigentlich hatte ich grad noch was zur tatsächlich historischen Entwicklung von Göttin und Gott geschrieben. Aber aufgrund meiner letzten Erfahrungen hier, hab ich es wieder gelöscht. Hab keinen Bock, wieder angepöbelt zu werden. Tja… Dann sag ich halt nur, dass ich den Artikel sehr schön und toll find 🙂

  3. Danke, Ihr beiden…

    Elli, schreib’s doch ins Forum. Das eignet sich sowieso mehr für etwaige Diskussionen…

    Für mich sind meine Erfahrungen von Göttin(nen) und Go(e)ttern sowieso äusserst persönliche… Ausser jenen die wir im Kollektiv des Covens erleben durften und teilten… Doch eigentlich bleibt auch dort die Wahrnehmung des Einzelnen – trotz einer übergreifenden Kernerfahrung – eine individuelle…

    Gruss

  4. Witzig. Mir geht’s auch meistens so, dass ich durch die Stereotypen anderer, die dieser Religion anhängen, abgestoßen werde.

    Ich habe irgendwann gelernt mit ihnen zu leben.

    Schön aber, dass es nicht nur mir so geht. 😉

  5. Auch ich fühle mich nach längerer Suche am meisten von UEW angesprochen. Ich bin gerade dabei, „All One Wicca“ zu lesen und erwäge, mich beim Coven of The Far Flung Net zu „bewerben“.
    Geprägt hat mich auch „Progressive Witchcraft“ von Janet Farrar und Gavin Bone.

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