Kalkulierte Musikräusche und andere Gedanken zum modernen Pop

mgmt

Pop ist tot. So scheint es. War diese Musikrichtung einst ebenso revolutionär und weltbeeinflussend wie andere Sound’s, so ist ihre einstige Bedeutung zur Bedeutungslosigkeit verkommen da selbst revolutionäres nun einzig den Biss der dahinterstehenden Vermarktung hat und auch Skandale nur mehr inszenierte Possen sind, die manchmal gut gehen und gelegentlich auch in die Hose.

Neuerdings hält die Hippie-Ära wieder für Inspirationen her, und zwar zum Beispiel in dem konstruierten, musikalisch visuellen Dauerflash der von der neuen Band MGMT via Musiksender in die überreizten Hirne der Konsumgenerationen eingebrannt werden soll. Steril wird hier schon im zweiten Clip ein permanenter psychoaktiver, visueller Drogenrausch verbreitet der eigentlich ganz nett ist, dessen Gehalt und Ausstrahlung jedoch in all seiner optischen (Farben-)pracht gekünstelt und konstruiert wirkt und somit für all die pseudorevolutionären neuen Popsongs jedweder Kategorien steht, die auf ihrer eigenen, glatten Oberflächlichkeit ausrutschen ohne sich dabei etwas zu brechen.

Vom Geist der Hippiekultur ist dort ausser derer Verglorifizierung nichts zu bemerken, auch wenn das Treiben irgendwie völlig Feri-Like wild erscheint und moderne Hexenherzen erfreuen sollte, gar gut zum amerikanschen Burning-Man-Festival passt, das den Geist der 60er und 70er gnadenlos Jahr für Jahr zu wiederholen sucht. Es ist einfach nett und der Sound ist gut. Aber viel mehr…. ?

Psychoaktive Substanzen durch die Blume als bewusstseinserweiternd zu vertickern passt zum pseudoprogressiven Touch, der eigentlich keiner mehr ist, lässt ausser Acht das jede vielversprechende Bewegung letztlich durch genau diese Drogen unglaubwürdig wurde und sich dadurch – zur Freude der Konservativen und des „Establishments“ – selbst auffrass und vereinnahmt wurde. Das ging schon der Flower-Power-Generation so und daran verpuffte auch die Techno- und Tranceszene.

Selbst Madonna die einst mit „Erotica“ und „Justify my Love“ sexuell die Achtziger aufmischte ist inzwischen auf sicheren kommerziellen Pfaden unterwegs. Aber ab einem gewissen Alter will man wohl keine Risiken mehr eingehen, sollen weiter Platten verkauft werden. Doch wenigstens ist die Grande Dame des Pop darin ehrlich.

In allen Fällen spricht das nicht gegen die Musik und Musiker selbst, denn es sind erstaunlich gute Songs auf dem Markt und auch MGMT wissen eigentlich oft zu gefallen und vor allem zu unterhalten.

Es ist einfach die fehlende Substanz, die Ideenlosigkeit und das schamlose Imitieren und Instrumentalisieren von „altem“, bzw. das laue Wiederaufwärmen von Mode, Style und das überall durchkalkulierte Risiko von dem man hofft, dass die Jungen mangels Erlebens „alter Zeiten“ voll darauf abfahren und die Produkte kaufen, bevor etwas anderes (ein neuer Ringtone?) ihre Aufmerksamkeit geldziehend krallt. Man so den Revoluzzergeist im Innen bedient ohne ihn wirklich zu erwecken. Denn wenn dieser wirklich erwachen würde, wäre das für die Industrie möglicherweise zumindest temporär desaströs.

Anstatt etwas zu verändern geilt man sich eben heute am Niedergang neuer und alter Ikonen auf und goutiert „Skandale“ und Randale am Laufmeter. Paparazzi-Kultur – jeder hasst sie aber alle gucken ihre Bilder und Berichte.

Dass übrigens ein Event wie „Live Earth“ in diesem aalglatten Konsumambiente nichts substanzielles mehr bewirkt und im Gegensatz zu einem „Live Aid“ (dem Original) schon wieder vergessen ist, steht als gutes Beispiel für die Schnelllebigkeit und Beliebigkeit mit der man heute marktet.

Das sie nun in Kaufhäusern stockkonservative Pollunder mit dem Aufdruck „Punkrock is still alive“ verkaufen spricht ironisch für sich selbst.

Viele singen erfolgreich vom anderssein, von Veränderungen, von Revolution und mehr. Und bedienen damit die Hoffnungen und Sehnsüchte die der moderne Mensch schon seit Jahrzehnten hat. Doch verändern wird sich dadurch nichts.

Weil heutzutage die Meisten viel zu sehr beschäftigt sind.

PS: Es ist mir wichtig zu betonen, dass mir Popmusik an sich immer noch sehr gefällt und ich auch ehrlichen Kommerz in der Musik manchmal mag. Um die Musik an sich geht’s hier auch gar nicht ;-).

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