Drugged, Desperate and Aggro

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(Achtung: das sind persönliche Eindrücke die andere nicht unbedingt teilen müssen und sie beziehen sich auf die Plätze und Atmosphäre in der Stadt, nicht auf die Wagenparade selbst,der ich nicht beiwohnte….)
Gestern war ich wirklich stolz darauf, die Atmosphäre der Stadt Zürich während der ersten Streetparades kennengelernt haben zu dürfen. Damals herrschte noch eine Freude in der Luft, die Stadt vibrierte unter bunter Lebenslust und einem Zeitgeist der noch an eine Veränderung glaubte. Doch seit gestern habe ich das Gefühl, dass es damit endgültig vorbei ist und Drogen, Alkohol sowie der Aggrolevel und die Leere, das Herz dieses einst so genialen Events verdorren liessen…

Letztes Jahr war bereits irgendwie so an der Kippe, doch dieses Jahr war die Atmosphäre auf den diversen Plätzen an denen abgetanzt wurde tatsächlich von einer Künstlichkeit und Schalheit, die keine grosse Freude mehr vermittelte. Vor allem, wenn man bis auf ein wenig Alkohol nichts anderes konsumiert hatte und damit der geschätzten 30% Minderheit angehörte.

Auf den Gayplätzen herrschte ein verzweifeltes, hohles Gestelze sowie die Suche nach einem Kick, der vermutlich kaum mehr für jemanden zu erreichen war und ist. Und die Tanzplätze der straighten Gesellschaft knisterten unter unterschwelliger Aggression, die vermutlich durch den Mix an Alkohol und Drogen geschürt wurde, der übrigens sichtlich vor keiner sexuellen Orientierung halt machte. Man musste den meisten Leuten in die Augen schauen: hinter den kleinen oder übergrossen Pupillen herrschte enorme Leere, die sich nicht auf den Intelligenzquotienten, sondern wohl eher auf den verlorengegangenen Anschluss an die Lebensfreude- und Kraft bezog.

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An der Musik lag es nicht, denn die war ausgesprochen geil, doch bei kaum jemanden rief sie auch drogenlose und freudvolle Trance und Ekstase herbei, so wie sie es früher einmal schaffte. Ich hatte zwar Freude und hätte am liebsten abgetanzt, doch es fehlte der kollektive Vibe an Lebenslust, der dereinst alle miteinander verband und für einen Tag und eine Nacht glücklich machte. Und somit tanzten sowieso nur die wenigsten, sondern wippten ein bisschen mit, dabei die Augen immer wie wild überall, nur nicht in sich selbst ruhend.

Das die Streetparade sowieso eher zu einer schlechten und kalten Fasnacht mutierte, zeigten die Kostüme und Bemalungen mancher, die schon im Zug voll zugedröhnt mit Bierflaschen im Blut und in der Hand an die Parade düsten.

Da ich ja doch einige Zeit lang in der Rave-Szene mitwirkte behalt ich sie in toller Erinnerung, die Zeiten an denen es noch nicht so drogen- und alkdurchzogen war und die Menschen noch mehr aus ihrer eigenen Kraft und Freude heraus feierten und das Leben zelebrierten. Was ich gestern in Zürich erleben durfte, war nicht mal mehr ein schaler Abglanz von früher. Das war einfach nur mehr abgeschmackt. Und dabei ging es mir selber ausgezeichnet (also nix da Projektion!) und ich hatte echt Freude, denn eben: die Musik selbst war einfach der Hit und pumpte Endorphine und Serotonin ins Blut, ohne das man etwas geschmissen haben musste. Man muss sich einfach drauf einlassen und nicht versuchen, mit Chemie und literweise Alk alles „noch besser“ werden zu lassen und damit einem Kick nachzulaufen, der sich vermutlich schon vor Jahren verabschiedet hat.

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Die Drogen haben letztlich schon mit die vielversprechende und doch einges bewegende Hippie-Bewegung scheitern lassen. Jetzt hat es die Rave-Szene wohl auch endgültig erwischt. Und das es laut Berichten heute viele Pöbeleien gab und gar jemand erstochen wurde, überrascht nicht wirklich. Nix mehr „Love, Peace and Unitiy“ oder wie dieses Jahr „Respect“. Da wunderte es kaum, dass gelegentlich auch bewusst aggressiver Hip-Hop lautstark gegen die Technobeats (ein-)gesetzt wurde.

Es wäre so schön, wenn die Menschen wieder lernen würden ohne Drogen und Alk Freude zu empfinden und das Leben zu zelebrieren. Der Körper stellt soviele Stoffe selbst her, gerade im Rausch der Musik, und es dauert nur unwesentlich länger. Okay, früher wurde auch Ecstasy konsumiert und gekifft, aber zumindest anfänglich nicht so exzessiv. Die Leute waren auf einem anderen Level und (zumindest während der Veranstaltung selbst) alles andere als ausgebrannt. Und genauso fühlte sich die Atmosphäre an. Ausgebrannt und leer. Schade. Vielleicht wirds ja wieder…Vielleicht steh ich mit dieser Wahrnehmung auch allein da…

Ich entschuldige mich übrigens schon mal bei allen die es anders empfanden, die Freude hatten und/oder gar clear dabei waren. Es handelt sich um einen persönlichen Eindruck. Vielleicht lauf ja ich einer Streetparade nach, die es „so“ einfach nicht mehr gibt. Doch ich glaube das viele die vergleichen können, ähnliche Gedanken hegen könnten und Eindrücke teilen.

2 Kommentare

  1. Interessante Wahrnehmung. Weil ich es schon letzesmal so empfand, hab ich diesmal nicht mehr teilgenommen. Was war denn Dein Eindruck zu den Besucherzahlen, waren es wirklich 800’000, oder wurde auch da wieder völlig übertrieben?

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